Kunstmeile Krems / Claudia Rohrauer

Landesgalerie

„Ausgestellt, aber unsichtbar“


Filmemacherin Christiana Perschon über ein Werk von Renate Bertlmann, zu dem sie einen besonderen Bezug hat. Die „Urnenwand“ ist Teil der Ausstellung Bertlmanns in der Landesgalerie.

Das erste Mal begegnete ich der „Urnenwand“, als ich Renate Bertlmann für meinen Film interviewte. Die Idee zu der Installation hatte sie schon lange. Sie ist Teil ihres Werkkomplexes „Utopie“. Die Utopie begreift Renate aber nicht als Zukunftsvision, sondern als „Übungen im Sterben“. In den 1970er-Jahren stieß sie auf die trans­zendentale Meditation, die für ihre schöpferische Arbeit wichtig war. Als sie mir davon erzählte, schlug sie einen Bogen zu ihrem frauenpolitischen Engagement: Meditation und Demonstration sind kein Widerspruch bei ihr, sondern bedingen einander. Später bat Renate Bekannte, darunter auch mich, ihr eine persönliche Urnenbeigabe in einem Kuvert zu schicken. Diese Beigabe sollte eingerollt und in einem Urnenzylinder in einer Nische platziert werden. Dafür hatte ich gleich ein Objekt bei der Hand, das ich ihr zukommen ließ. Wobei ich nicht weiß, ob es nun wirklich Teil der Urnenwand ist. Es ist schön, dass die Künstlerin diese nicht nur mit eigenen Erfahrungen füllt, sondern auch mit denen anderer. So entstand ein persönliches biografisches Archiv, in dem alle verbunden sind, die etwas beigesteuert haben. Renate Bertlmann ist die wohlmeinende Hüterin dieser kostbaren persönlichen Objekte. Die Beigaben werden ausgestellt, sind aber unsichtbar. Gerade heute, wo sich alle in den Social Media exponieren, finde ich das sehr reizvoll: etwas zu teilen, aber es nicht zu zeigen, den Blick darauf total zu verweigern. 

Ich lernte Renate durch meinen Film „Sie ist der andere Blick“ kennen. Dafür suchte ich Künstlerinnen, die sich in der Frauenbewegung der 1970er-Jahre engagierten. Mich interessierte es, Vorbilder zu sammeln für mich und mein Lebenskonzept. Renates Arbeiten sprachen mich sehr an. Ich schlug ihr dann vor, ihre „Häute“ in meinem Atelier zu installieren. Einer der schönsten Momente für mich war, als Renate das Fenster öffnete und ein Luftzug hereinkam: Da begannen die Häute zu tanzen. ●○